Schmid/Hübner/Krill & Huebner Brothers

Europa wächst politisch, wirtschaftlich und sicher auch musikalisch zusammen, gleichzeitig ist ein Erstarken der regionalen Ausprägungen zu beobachten, eine Rückbesinnung auf fast vergessene, musikalische Traditionen, die heute idealerweise verbunden sind mit einer Sicht auf das Geschehen der großen (Musik)Welt. Besonders der Reigen der jungen europäischen Jazzmusiker besinnt sich auf diese musikalischen „Roots“: und das kann von der klassischen Konzertmusik Europas bis zu den Wurzeln der europäischen Volksmusiktraditionen gehen, was auf deutscher Seite besonders spezifisch in den letzten „Folk Song“ Veröffentlichungen eines Dieter Ilg, aber noch viel stärker bei den süd- und südosteuropäischen Jazzern hervorbricht.

Hier soll aber speziell von deutschen Jung-Jazzern die Rede sein. Zum einen von den Huebner Brothers, die ihre erste gemeinsame CD auf Satin Doll veröffentlicht haben, einem Label, das sich speziell dem regionalen Jazz im Ländle verschrieben hat. Die Hübner-Brüder stammen aus Ravensburg: eine Stadt, die sich was Jazz anbetrifft, bisher nicht gerade hervorgetan hat, aber jüngst immerhin einen Jazztag ins Leben gerufen hat.

Beide haben bereits die jazzgeschwängerte Luft der „Ultimate Jazz-Town“ New York geschnuppert: Gregor studierte bei Produzent und Pianist Richie Beirach, der auch den Pianopart auf „Memories“ beigesteuert hat und außerdem die CD produziert hat. Gregor spielt Violine und Piano, sein jüngerer Bruder Veit den Bass. Er hat in New York bei Marc Johnson und Eddie Gomez gelernt. Und am Hudson River wurde auch diese erste CD der beiden eingespielt, bis auf „Wise One/ von John Coltrane alles Originale der Bandmitglieder. Mit von der Partie sind außerdem der Saxophonist Ekkehard Rössle, der ebenfalls einen Titel beigesteuert hat, sowie Heinrich Köbberling an den Drums. Gregor Hübner setzt durch sein Violinenspiel die Akzente manchmal hin zum Kammerjazz, mal in Richtung Jean-Luc Ponty, es sind aber auch Anklänge der europäischen Zigeunergeige zu hören.

Veit Hübner, der jüngere der beiden, bringt sein Talent und Können nun in der aktuellen CD „Time makes the Tune“ des Trios Schmid/Hübner/Krill ein. Und gleich eines der traditionsreichsten und schwierigsten Genres des modernen Jazz, das klassische Piano-Trio mußte es sein. Wie können dem noch neue Nuancen hinzugefügt werden? Die drei Musiker überzeugen durch die subtilen musikalischen Statements der meist ruhigen, ausgefeilten Stücke. Der Pianist Ralf Schmid, der den überwiegenden Teil der Musik auf dieser CD komponiert hat, stammt wie Hübner ebenfalls vom Bodensee, aus Konstanz und lebt momentan in New York. Auch er ein Schüler von Richie Beirach. Der dritte im Bunde ist der Drummer Torsten Krill aus Ansbach. Zwei der Kompositionen von Veit Hübner auf „Time makes the Tune“ finden sich übrigens auch auf „Memories“, aber ganz unterschiedlich arrangiert.

Schmid greift in seinen Liner-Notes die Verbindung zum literarischen Epoche-Werk „Ulysses“ von James Joyce auf: der Titel „Time makes the Tune“ stammt aus diesem im doppelten Sinne schweren Stoff. Und jeder der drei Musiker komprimiert kurze „Nach-Gedanken“ zum CD-Thema „Die Zeit macht die Melodie“ auf eine Seite im Inlet der CD. Schmid macht sich dabei ganz unphilosophisch Gedanken über die Hörer dieser CD, von Neugierigen, die zum ersten Mal auf PLAY drücken bis zu den unverbesserlichen, gehetzten Zappern, die immer nur die Anfänge aller Titel kennen. Aber bei diesen CDs lohnt es allemal auch die „daZwischentöne“ zu hören.