Markus Kurz - Radio Dreyeckland Freiburg - Jazzredaktion
Jimmy Giuffre/André Jaume - Momentum
(hatOLOGY 508 - Helikon)
Diese CD dokumentiert die Rückkehr von Jimmy Giuffre zu seinen Wurzeln Anfang der 60er Jahre, als er seine fantastischen Alben mit Paul Bley am Piano und Steve Swallow am Bass einspielte. Die wenigen Liveauftritte dieses Trios sind auch auf zwei außergewöhnlichen CDs des Hat ART-Labels dokumentiert, die allerdings erst Anfang der 90er Jahre erschienen sind (Emphasis, Stuttgart 1961 und Flight, Bremen 1961).
Schon Anfang der 60er Jahre ging Jimmy Giuffre mit dieser auf leisen Tönen aufgebauten Improvisationsmusik seinen eigenen Weg abseits der reinen Free-Jazzer und Mainstream-Liner. Leider hatte dieses Trio nicht lange Bestand, das breitere Publikum honorierte damals seine Musik offensichtlich nur wenig. Erst in den 90er Jahren hat man diese Musik wiederentdeckt. Neben den beiden Live-Konzerten von Bremen und Stuttgart wurden auch die beiden frühen Verve-Scheiben „Fusion“ und „Thesis“ auf ECM (Jimmy Giuffre 3, 1961) wiederveröffentlicht. Eine der wenigen Platten, die im Original nicht von den höchst anspruchsvollen ECM-Leuten aufgenommen wurde, sondern wo sich ECM die Rechte an diesen Sessions von Verve gekauft hat. Kein Wunder, denn diese Aufnahmen werden dem ästhetischen Rahmen von ECM perfekt gerecht, man könnte sie sozusagen als die vorweg genommenen ersten ECM-Aufnahmen überhaupt ansehen. Die letzte, nicht weniger empfehlenswerte Studio-Session dieses Trios, „Free Fall“, ist 1962 auf Columbia erschienen.
Auf „Momentum“ spielt Jimmy Giuffre im Duo zusammen mit André Jaume, der wie Jimmy Giuffre ebenfalls Klarinette und Saxophon spielt. Auf dieser CD übernimmt Jaume die tieferen Register, also Bassklarinette und Tenorsax, während der Altmeister auf seinem stärksten Instrument, der Klarinette und dem Sopransaxophon spielt, auch einige Solostücke, bspw. das Titelstück „Momentum“ auf dem Sopran, oder das Stück „Once“ auf der Klarinette. André Jaume steuert ebenfalls einige der Kompositionen bei und interpretiert diese z.T. auch solo.
Die Schönheit und Ungezwungenheit der Musik von Jimmy Giuffre hat sich erstaunlicherweise über diesen langen Zeitraum erhalten: hört man das Momentum-Konzert, kann man kaum glauben, daß über ein Vierteljahrhundert zwischen den anfangs erwähnten Live-Konzerten 1961 und diesem Konzert in Willisau 1988 liegt.
Die Faszination dieser Musik kommt auch aus ihrer Fragilität, manchmal nur gehauchte Töne, hineingetupft in die umgebende Stille. Überhaupt die Stille: Jimmy Giuffre ist ein Meister der Zwischenräume, der Nicht-Töne. Vielleicht kann man sich diese Nicht-Töne wie den blauen Raum zwischen den vereinzelt am Himmel stehenden weißen Wolken vorstellen, die schwerelos dahinschweben wie die Musik von Jimmy Giuffre.
„Strenge, Harmonie und eine unglaubliche Leichtigkeit, wie die zwei geschwungenen Linien des Eiffelturms, die sich hoch oben am Himmel treffen“, so beschreibt Duo-Partner André Jaume diese Musik. Zur Klarheit der Töne passt auch das außergewöhnlich gestaltete, einfache Klappkarton-Booklet der neuen hatOLOGY-Serie. Darauf steht für jedes der Musikstücke eine poetische Terzine, gedichtet von Art Lange.
Eine CD also für das ästhetische Feingefühl. Eine sehr lohnende Produktion. Und wer die früheren Aufnahmen ebenfalls kennt weiß, daß man das Verdienst von HAT HUT um diese Musik nicht hoch genug einschätzen kann.
>Vorgestellte< Titel:
Besetzung:
Aufnahmedatum: Jazz Festival Willisau, 03.09.1988
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© markus kurz 98.06.26