Methoden des Untertauchens - Textfragmente aus Werken von Paul Auster


Methoden des Untertauchens. Intro.

Er arbeitete an diesem zweiten Landschafts-Zyklus mit noch größerer Intensität als am ersten, und als schließlich alle Rückseiten der Bilder voll waren, begann er die Möbel in seiner Höhle zu bemalen, wie von Sinnen seine Pinselstriche auf den Schrank, den Tisch und die Holzstühle zu malen, und als auch diese Flächen bemalt waren, drückte er die letzten Farbtropfen aus den zusammengeschrumpften Tuben und begann an der südlichen Wand zu arbeiten, die Umrisse einer panoramischen Höhlenmalerei zu entwerfen. Es wäre sein Meisterwerk geworden, sagte Effing, aber die Farben trockneten als es gerade zur Hälfte fertig war.

(aus „Moon Palace“)


Methoden des Untertauchens. Nummer 1.

Danach schlief ich jede Nacht im Park. Er wurde zum Heiligtum für mich, eine Zuflucht des Insichgekehrtseins gegenüber den zermürbenden Beanspruchungen der Straßen. Es waren 840 Acres in denen ich umherstreifen konnte; anders als die massiven Netzwerke aus Gebäuden und Türmen, die außerhalb dieser Sphäre aufragten, bot mir der Park die Möglichkeit der Einsamkeit, mich vom Rest der Welt zu trennen. In den Straßen gibt es jede Menge Leute und Wirrwarr, und ob du willst oder nicht, du kannst sie nicht betreten ohne dich ihrem starren Protokoll zu beugen. Sich in der Menge fortzubewegen heißt niemals schneller zu gehen als irgend jemand anders, nie hinter dem Nächsten zurückzubleiben, nie etwas zu unternehmen, um den Strom der Menschen zu unterbrechen. Wenn du die Regeln dieses Spiels akzeptierst tendieren die Leute dazu dich zu ignorieren. Es kommt ein bestimmter Glanz in die Augen der New Yorker wenn sie durch die Straßen gehen, eine natürliche und vielleicht sogar notwendige Form der Gleichgültigkeit gegenüber anderen.

(aus „Moon Palace“)


Methoden des Untertauchens. Nummer 2.

Ich sah, wie sie sich gleich Gespenstern durch die Lüfte bewegen. Es war kein Fliegen wie du es dir vielleicht vorstellen magst. Nicht wie Vögel oder Motten, nicht mittels Flügeln oder so etwas ähnlichem. Aber sie waren oben am Himmel, und sie bewegten sich. Langsam und fremdartig. Sich ihren Weg durch die Luft bahnend wie Schwimmer, wie Schemen, die am Grund eines Sees wandeln.

(aus „Mr. Vertigo“)


Methoden des Untertauchens. Nummer 3.

„... es gibt nichts, das mysteriöser oder schöner ist als eine Mauer.“

„... eine Mauer aus zehntausend Steinen.“

(aus „The Music of Chance“)


Methoden des Untertauchens. Nummer 4.

Ein weiterer Freund von mir, R., hat mir einmal von einem bestimmten, lange vergriffenen Buch erzählt, das er ohne Erfolg versucht hatte ausfindig zu machen, dabei durch Buchantiquariate und Kataloge stöberte, denn es sollte ein bemerkenswertes Werk sein, das er unbedingt lesen wollte, und wie er, als er eines nachmittags auf dem Weg durch die Stadt eine Abkürzung durch Grand Central Station nahm, auf der Treppe hoch zur Vanderbuilt Avenue eine junge Frau am Marmorgeländer stehen sah, die ein Buch vor sich stehen hatte: das selbe Buch, das er so verzweifelt aufzuspüren versucht hatte. Obwohl er normalerweise nicht einfach Fremde anspricht, war R. einfach zu überwältigt von dem Zufall um ruhig bleiben zu können. „Ob Sie es glauben oder nicht,“ sagte er zu der jungen Frau, „ich habe überall nach diesem Buch gesucht.“ „Das ist wunderbar,“ sagte die junge Frau, „ich habe es gerade ausgelesen.“ „Wissen Sie vielleicht wo ich noch ein Exemplar finden könnte?“ fragte R. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was es mir bedeuten würde.“ „Dieses Exemplar ist für Sie.“ antwortete die Frau. „Aber es ist Ihres.“ sagte R. „Es war meines,“ sagte die Frau „aber jetzt habe ich es ausgelesen. Ich bin hierher gekommen um es Ihnen zu geben.“

(aus „The Red Notebook“)


< m@rqs music < reviews < playlists < Songs from a Red Notebook <
Übersetzung aus dem Amerikanischen © Markus Kurz